Bericht über die KoPI-Konferenz vom 5. und 6.12. 2025

Deutschlands Verantwortung für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel“ – so war das Thema einer Konferenz am vergangenen Wochenende in Frankfurt/M, organisiert vom Deutschen Koordinationskreis Palästina Israel. 

Im KoPI-Netzwerk für Informations-, Bildungs- und Kampagnenarbeit zum Nahostkonflikt sind 38 bundesweit und regional arbeitende Friedens-, Menschenrechts- und Solidaritätsgruppen vernetzt.

In Frankfurt trafen sich an 2 Tagen bis zu 200 Teilnehmende, um vor dem Hintergrund der nach wie vor schlimmen Lage der palästinensischen Bevölkerung in Gaza, aber auch in der Westbank, die deutsche Nahostpolitik historisch und aktuell kritisch zu beleuchten und ihre Verantwortung für einen gerechten Frieden darzulegen. Hier das Programm. Ein Videomitschnitt von großen Teilen der Konferenz kann hier angesehen werden!

Anita Starosta (Leitung Öffentlichkeitsarbeit) begrüßte die Versammlung im Namen von medico international, dass großzügig die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hatte. KoPI sagt herzlichen Dank dafür. 

Zum Auftakt wurde eine Rede von Francesca Albanese, die ihr Kommen leider hatte absagen müssen, eingespielt; sie sprach über die Lage der Palästinenser und das absolut mangelnde Einschreiten der Welt, vor einer Gruppe von Europa-Abgeordneten im EP in Brüssel. 

 Dr. Shir Hever, Geschäftsführer von BIP, dem „Bündnis für Gerechtigkeit zwischen  Israel und Palästina“ referierte  Zur Verantwortung der Wirtschaft für den Völkermord in Gaza“ Als eine Motivations-Quelle der massiven israelischen  militärischen Gewalt identifizierte Dr. Hever,  die eklatanten Profite, die expandierende  israelische Rüstungskonzerne wie ELBIT in der jetzigen Kriegskonjunktur einstreichen können, auf Kosten eskalierender Verschuldung des israelischen Staats. Premier Netanjahu beschrieb seine Idee von Israels Zukunft als den Weg zu einem nahöstlichen Sparta, einem Kriegerstaat.  Seine eigene Bilanz: „Ich habe das Gesicht des Nahen Ostens verändert“.
George Rashmawi, Sprecher der palästinensischen Gemeinden Europa, sprach über  „Die Auswirkung der israelischen Besatzung auf die palästinensische Wirtschaft“. Er stellte dem israelischen Rüstungs-Boom in seinem Beitrag die tiefgreifende Misere der palästinensischen Ökonomie entgegen: die weitgehende Zerstörung sowohl landwirtschaftlicher Flächen als auch der Gewerbebetriebe in Gaza, und der Entzug der elementaren Versorgung der Menschen dort, aber auch die fortschreitende Zerstörung der Ökonomie in der Westbank, durch Entzug regulärer Steuereinnahmen, immer weitere Blockierung der Verkehrswege und Ausdehnung der illegalen Siedlungen auf Kosten der palästinensischen Ortschaften und Bewohner.  
Prof. Ninon Colneric, früher Richterin am Europäischen Gerichtshof, wies in ihrem Beitrag, Deutschland, Israel und das Völkerrecht, die vielfältigen Verletzungen internationaler Rechtsverpflichtungen gerade auch durch die deutsche Bundesregierung nach, in ihrer Unterstützung des israelischen Kriegs.  Ihre Schlussfolgerung: „Deutschland muss seine Haltung zu Israel ändern.“ 

Raif Hussein, Publizist und ehemaliger Vorsitzender der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, referierte über drei unterschiedliche Phasen der politischen Entwicklung des israelischen Staats, das Scheitern des Oslo-Abkommen und die zunehmende Apartheid auch im israelischen Kerngebiet, wo z.B. in über 900 Orten per Kommunalverfassung Bürgern arabischer Herkunft die Ansiedlung untersagt ist! Israelische Bürger palästinensischer Herkunft haben, so erfuhren wir, nur ein Aufenthaltsrecht auf Widerruf. 

Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Deutschland, wies auf die Unterschiede zwischen jüdischen und israelischen Interessen hin, die in der deutschen Medienöffentlichkeit häufig nicht wahrgenommen werden. Er berichtete etwa vom Vortrag des Publizisten Jason Stanley in der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, der dort einen Eklat auslöste, als er die israelische Regierungspolitik kritisierte. Friedensfördernde Dialoge mit palästinensischen Gruppen wie im Vorjahr in Berlin ein gemeinsamer Kongress, lösten sogar Repression durch die Polizei aus, kürzlich erst gerichtlich als widerrechtlich bewertet.

Ermutigend waren zwei weitere Beiträge des Abschlussplenum: der frühere deutsche Botschafter in Ramallah, Christian Clages berichtete von wachsender Besorgnis und Kritik sogar innerhalb des Auswärtigen Amts über die deutsche Politik gegenüber Israel und Palästina. Auch die deutsche „Bremser-Rolle“ gegenüber EU-Maßnahmen zu Lasten Israels, etwa bezüglich einer Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens, stoße auf Unzufriedenheit. Nicht zuletzt die Waffenlieferungen an Israel werden als rechtswidrig abgelehnt. 

Muriel Asseburg, Senior Fellow im Bereich Nahost in der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat unlängst substanzielle Veränderungen der deutschen Politik zu Palästina gefordert, die sie in unserer Tagung erneut formulierte: die Chancen für einen gerechten Frieden seien derzeit schlecht, die Versorgung der Bevölkerung weiter katastrophal. Ein Ende der Besatzung tauche in Trumps „Friedensplan“ nicht auf. Die Gefahr bestehe, dass der momentane Stand, wie schon so oft verstetigt werde, also der Gaza-Streifen in 2 Teile zerfällt und weiter israelische Truppen dort bleiben.  

Dagegen schlägt Frau Asseburg ein Ende für die „deutsche Staatsraison“, d.h. die quasi bedingungslose Unterstützung Israels, vor. Gemeinsam mit dem Mitarbeiter des früheren EU-Aussenkommissars Borrel, Philip Holzapfel, hat sie ein Konzept mit dem Titel „Jenseits der Staatsraison“ verfasst. Hier wird unter anderem gefordert, dass den Drittstaatenpflichten Deutschlands aus internationalen Abkommen nachzukommen ist (UN-Charta, UN-Konventionen und -Verträge, IV. Genfer Konvention; hier besonders auch Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrats vom Dezember 2016 und IGH-Rechtsgutachten vom Juli 2024 zu den rechtlichen Folgen von Israels Besatzungspolitik). Es dürfe das Einfrieren von Kooperationsbeziehungen mit Israel als Druckmittel nicht ausgeschlossen werden, denn die Verletzung völkerrechtlicher Standards lässt sich nicht mit privilegierenden Wirtschaftsbeziehungen vereinbaren.

Im Ergebnis fordern die Teilnehmer:innen der Konferenz vorallem

  • Das völkerrechts- und menschenrechtswidrige Vorgehen Israels in Gaza und Westjordanland muss von der deutschen Regierung klar benannt werden. Deutschland darf nicht Komplize sein, sondern hat eine Verpflichtung, die internationale Rechtsordnung zu stärken. Das Ansehen Deutschlands ist durch die einseitige Unterstützung Israels bereits schwer beschädigt.

  • keine militärische Zusammenarbeit und keine Rüstungskooperation (Waffenlieferungen) bis Israel sich an das Völkerrecht hält.

  • alle Kriegsverbrechen in Gaza und der Westbank müssen untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden (Hamas wie israelische Regierung) – dazu gehört auch die Unterstützung des Haftbefehls gegen Premier Netanjahu. 

  • keine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel, solange die völkerrechtswidrige Politik fortgesetzt wird, z.B. Unterbinden der unbegrenzten Kredit-Gewährung durch das Bankensystem, Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU, Verbot von Handel mit den besetzten Gebieten, keine Kooperation mit Institutionen, die in den besetzten Gebieten tätig sind oder von ihnen profitieren. Deutschland muss die Bremserrolle innerhalb der EU aufgeben.

  • aktuell: Hilfslieferungen nach Gaza müssen in vollem Umfang möglich sein. Deutschland muss die UNWRA unterstützen. Medizinische Hilfe muss auch in Deutschland möglich gemacht werden. Journalisten müssen wieder Zugang zu Gaza bekommen. 

  • Ende der Straflosigkeit nicht nur von Militärangehörigen, sondern auch von gewalttätigen Siedlern in der Westbank und von Gefängnisaufsehern (wegen Misshandlung und Ermordung palästinensischer Gefangener). Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden.

  • Trump-Plan: Deutschland muss sich am Selbstbestimmungsrecht der Völker orientieren und eine palästinensische Regierung in Gaza fordern. Nur ein Ende der Besatzung und eine Anerkennung des Rechts der PalästinenserInnen auf einen eigenen Staat kann Frieden bringen.

  • Die deutsche Regierung muss sich dafür einsetzen, dass das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Deutschland stärker geschützt wird und pro-palästinensische oder israelkritische Veranstaltungen und Demonstrationen nicht eingeschränkt werden.

Videomitschnitt von großen Teilen der Konferenz


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