KoPI-Konferenz am 31.01./01.02.2020 in Berlin: Dokumentation

Inhalt:

Abschlusserklärung
Berlin, 2. Februar 2020

Am Wochenende 31.1./1.2.2020 fand in Berlin die KoPI-Konferenz statt unter dem Titel: „Die deutsche Israelpolitik auf dem Prüfstand – behindert die deutsche ‚Staatsraison’ den Frieden in Israel/Palästina?“

Auf dieser Konferenz wurde eine Erklärung diskutiert, die vom Sprecher*innenkreis wie folgt ausformuliert wurde:

  • Der „Trump/Netanjahu-Deal“ ist eine „Kriegserklärung“ an das Völkerrecht und die allgemeinen Menschenrechte.
  • Die Bundesrepublik Deutschland ist ein gewichtiger internationaler Akteur. Wir erwarten, dass die Bundesrepublik aufhört, die militärische Konfrontation durch Waffenlieferung in die Nahost-Region zu perpetuieren.
  • Die PalästinenserInnen müssen endlich die vollen Menschenrechte erhalten, sei es in einem eigenen Staat oder sei es in einem demokratischen Staat Israel. Die Besatzung muss beendet werden.
  • Die Bundesregierung sollte, um die politische Gleichberechtigung der zwei Völker international voranzubringen, Palästina als Staat anerkennen, wie dies bereits Schweden und 138 weitere UN-Mitglieder getan haben.
  • Mit dem Ziel einer stabilen, international abgesicherten Friedensordnung sollte sich die Bundesregierung für die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone, bzw. einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen in der gesamten Region einsetzen.
  • In Deutschland fordert KoPI, dass die durch Parlamentsbeschlüsse herbeigeführten Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und die Behinderung der Versammlungsfreiheit aufgehoben werden.
  • KoPI fordert zivilgesellschaftlichen Widerstand und konsequentes rechtstaatliches Vorgehen gegen jede Form von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wieAntisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus sowie Anfeindungen asylsuchender Menschen. Volksverhetzung und Nötigung und erst recht direkte Gewaltanwendung sind gravierende Straftatbestände und müssen konsequent verfolgt und unterbunden werden.

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Pressemitteilung
Berlin 3. Februar 2020

Kritik an Staatsräson-Formel:
Palästinenserinnen und Palästinenser miteinschließen

Konferenz des Deutschen Koordinationskreises Palästina Israel – Für ein Ende der Besatzung und einen gerechten Frieden (KoPI) – Tagungsbericht

Eine verantwortungsvollere deutsche Israelpolitik muss Menschenrechte und Völkerrecht für die Palästinenserinnen und Palästinenser miteinschließen und darf keine Waffenlieferungen in die Region zulassen, so das Fazit einer Konferenz zur „Staatsräson“ des Deutschen Koordinationskreises Palästina Israel – Für ein Ende der Besatzung und einen gerechten Frieden (KoPI) am Samstag, 1. Februar in Berlin-Neukölln. Deutschland dürfe sich auch nicht als Waffenschmiede für israelische atomare Trägersysteme wie U-Boote zur Verfügung stellen. Die Kritik an der Formel der Bundesregierung wonach Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei, zog sich wie ein roter Faden durch die Vorträge und Diskussionsbeiträge. Von der Aussage: „Die Sicherheit Israels ist israelische Staatsräson“ bis zu: „Warum heißt es nicht einfach: Die Sicherheit Israels und Palästinas ist deutsche Staatsräson?“ reichten die Plädoyers. Die Tagung mit dem Titel „Die deutsche Israelpolitik auf dem Prüfstand – Behindert die deutsche „Staatsräson“ den Frieden in Israel/Palästina“ fand nur drei Tage nach der Veröffentlichung des Trump-Plans für Nahost in den Räumen von Refugio/Diakonie in Berlin-Neukölln statt. 

„Steht es nicht im Widerspruch, wenn die Sicherheit Israels garantiert ist und die Sicherheit Palästinas nicht?“ wandte sich die palästinensische Botschafterin Dr. Khouloud Daibes an die über 120 Teilnehmenden. Sie kritisierte, dass das Auswärtige Amt gegenüber dem Trump-Plan, der den Palästinenserinnen und Palästinensern nur 9% des historischen Palästinas (und Israel 91%) zugesteht, eine “gewisse Zurückhaltung“ an den Tag gelegt hat, „die uns Sorge macht“. „Wir empfinden die Reaktion als enttäuschend. Der Eindruck entsteht, die israelische Regierung wird für schwerste Menschenrechtsverletzungen belohnt.“ Die Botschafterin, die auch nach sechs Jahren diplomatischer Arbeit in Berlin von der Bundesregierung nicht als Botschafterin, sondern nur als Leiterin der palästinensischen Mission anerkannt ist, befürchtet, dass der Plan Realitäten vor Ort schafft. Es werde nun erforderlich, die Rolle der palästinensischen Autonomiebehörde neu zu definieren oder als beendet anzusehen. Die Botschafterin kritisierte auch den zunehmenden Druck auf Palästina-Veranstaltungen in Deutschland und forderte Respekt-Kampagnen dagegen. „Wir müssen das Signal erhalten, dass gewaltfreier Widerstand sinnvoll ist.“ Die Botschafterin warb für die Anerkennung Palästinas als Staat, wie sie 139 Staaten bereits vollzogen haben. Das sei ein Signal, dass man es ernst meine mit zwei Staaten. Ausdrücklich lobte die Botschafterin die finanzielle Unterstützung für die palästinensischen Flüchtlinge durch die Bundesregierung.

Die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson zu bezeichnen, sei Unsinn, betonte der israelische Historiker und Philosoph Moshe Zuckermann. „Israels Sicherheit ist israelische Staatsräson und deutsche Sicherheit ist deutsche Staatsräson“, sagte der ehemalige Professor an der Universität Tel Aviv. Kritisch untersuchte er auch den Begriff „historische Verpflichtung“. „Kann eine Regierung, die diese Barbarei (Besatzung der Palästinenser) vollzieht, moralisch verteidigt werden, wenn man Moral als Kriterium hat?“ Zuckermann schloss seinen Vortrag düster: „Es ist ein Donald Trump in die Welt gekommen, aber als Symptom für die Welt, für etwas, das sich auch in Europa abzeichnet“, wie Faschismus und Nationalismus. Nachdem die Zweistaatenlösung unmöglich gemacht worden sei, habe er gedacht, einen Apartheidstaat, wie er ohne die Zweistaatenlösung entsteht, würde die Weltgemeinschaft nicht tolerieren. Angesichts der weltpolitischen Konstellation jetzt würde er das nicht mehr glauben. Was bedeutet heute Aufarbeitung der Vergangenheit im Sinne von Theodor Adorno? Dies müsse neu gefragt werden. Ihm gefalle der Ansatz seines Vorredners Norman Paech, die deutsche Israelpolitik als verfehlte Vergangenheitsbewältigung zu betrachten.

In den Jahrzehnten deutscher Israelpolitik sei nie ein besonders dringlicher Handlungsdruck erzeugt, es sei denn den für humanitäre Hilfeleistungen, um die Situation für die palästinensische Bevölkerung erträglicher zu machen, führte der Völkerrechtler Norman Paech aus. Der Zivilisationsbruch des Völkermords habe vielen in der israelischen und in der deutschen Gesellschaft die Fähigkeit genommen, darüber zu reden. „Man griff zu den nichtssagenden Formeln der „besonderen Verantwortung“, der „einzigartigen Beziehungen“ der „Unverhandelbarkeit“ und „Staatsräson“. Nur ein Bekenntnis sei trotz dieser Blockade zwischen den Opfern und den Tätern sowie ihren Nachkommen möglich gewesen: „Nie wieder Auschwitz, nie wieder  Die Blockade zwischen den Opfern und den Tätern sowie ihren Nachkommen habe nur ein Bekenntnis zugelassen: „Nie wieder Auschwitz, nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. „Bis Palästina reichte dieses Bekenntnis nicht“, sagte Paech.

Die deutschen Regierungen haben durchweg Israel unterstützt. Allerdings kam unter Willy Brandt im Rahmen der Ostpolitik die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den arabischen Staaten hinzu, erläuterte Paech, der selber lange Zeit SPD-Politiker war, bei seiner kritischen Begutachtung der gesamten Bundesregierungen. Trotz Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung, seien alle Versuche der PLO zur Aufwertung des Status von Palästina im Rahmen der UNO hintertrieben worden. Auch der jüngste Vorstoß des luxemburgischen Außenministers Asselborn, über eine Anerkennung Palästinas zu sprechen, sei schon vor dem letzten Außenministertreffen von der Bundesregierung abgelehnt worden. Es sei „hohle Festtagslyrik“, sagte Paech im Hinblick auf die Rede Steinmeiers in Israel wenn man in Israel von Völkerrecht und Menschenrechten spreche und Gaza und das Leid der Palästinenser vergesse zu erwähnen. Das sei das Elend der deutschen Nahostpolitik. „Und ich wage die Behauptung, hätten die Bundesregierung und die anderen Regierungen der EU ihre Nahostpolitik konsequent an Menschenrechten und Völkerrecht ausgerichtet, hätten Trump und Netanjahu nicht diese Farce eines Friedensplanes in Washington inszenieren können.“

Ob die U-Boot-Lieferungen an Israel das Ziel „Staatsräson“ erreicht haben, hatte der ehemalige Diplomat Gerhard Fulda untersucht. Bei den U-Booten handle es sich um ein israelisches Produkt, bei dem nur der Antrieb deutsch sei und das in Deutschland gebaut werde. Die U-Boote seien Trägersysteme für mögliche Atomwaffen. Ein Gewinn für Israels Sicherheit sei nicht messbar, da die nukleare Abschreckung keine wirkliche Abschreckung erziele, sondern andere Staaten eher motiviert, ebenfalls Nuklearmacht zu werden. Der U-Boot-Verkauf sollte im Bundestag diskutiert werden. Gemeinsam mit Israel sollte man zu konfliktvorbeugenden Maßnahmen kommen. „Wir dürfen der israelischen Politik nicht länger erlauben ihre Nuklearpolitik in Deutschland zu betreiben.“  

Zu der von den Hilfswerken Brot für die Welt und Katholischer Fonds geförderten Tagung musste der Erfinder der Formel „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, der ehemalige deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dreßler, aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen.       

Wiltrud Rösch-Metzler

Konferenzeinladung

Die deutsche Israelpolitik auf dem Prüfstand –
Behindert die deutsche „Staatsräson“ den Frieden in Israel/Palästina?

„Die Sicherheit Israels ist Teil der deutschen Staatsräson“, verkündete Bundeskanzlerin Merkel 2008 vor der Knesset in Jerusalem. Dieses Bekenntnis wird in letzter Zeit immer wieder zitiert; es ist parteiübergreifend zum Schlüsselbegriff der deutschen Israel-Politik geworden.

Wenn man im Lexikon den Begriff „Staatsräson“ nachschlägt, wird man auf Machiavelli verwiesen, der ethische Prinzipien oder Rechtsvorschriften dem Eigennutz von Herrschaftsinteressen explizit unterordnete.

Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zum Staat Israel muss ein besonderes sein, denn Israel wurde Zufluchtsort vieler europäischer Juden nach dem Völkermord des deutschen Nazi-Regimes. Die Verbundenheit Deutschlands mit dem Staat Israel und die Sorge um Israels Sicherheit ist die notwendige Konsequenz aus der Geschichte. Aber inwiefern ist es im deutschen Interesse, alles, was Israel für seine Sicherheit für notwendig hält, kritiklos zu unterstützen?

Stehen dahinter auch eigennützige Elemente, etwa das Interesse an einem florierenden Waffenhandel in beiden Richtungen, an wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit etc.? Und wo bleiben Fragen des Völkerrechts und der Menschenrechte im Vorgehen Israels gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinenser?

Unsere Tagung will den Status Quo der „deutschen Staatsräson“ aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und Möglichkeiten produktiverer politischer Ansätze im Sinne einer Förderung friedlicher Lösungen der Nahost-Problematik ins Auge fassen.

Auftaktveranstaltung

Daheim entfremdet – Erzählung und Musik
Erkenntnisse aus meinem Mutterland, der„einzigen Demokratie in Nahost“

Nirit Sommerfeld

& ORCHESTER SHLOMO GEISTREICH Duo
(Andi Arnold, Lili Sommerfeld)
www.nirit.de 

Freitag, den 31. Januar, 19.00 Uhr

Eintritt 10,- €

Refugio, Berlin Neukölln, Lenaustr. 4, U-Bahn Hermannplatz

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Konferenz

Samstag, 1. Februar 2020, 9.30 – 18.00 Uhr 

Dr. Rüdeger Baron (AK Palästina im NEFF)

Die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson

(der vorgesehene Referent Rudolf Dreßler ist leider erkrankt) 

 

Prof. Norman Paech (Völkerrechtler, Hamburg)

Die deutsche Israelpolitik als verfehlte Vergangenheitsbewältigung

Moderation: Sabine Farrouh (IPPNW)

 

Dr. Khouloud Daibes (Botschafterin, Berlin)

Wie erleben Palästinenser die deutsche Israelpolitik?

Moderation: George Rashmawi (PGD)

 

Prof. Moshe Zuckermann (Historiker, Tel Aviv)

Die deutsche Staatsräson-Doktrin aus israelischer Sicht

Moderation: Matthias Jochheim (IPPNW)

 

Dr. Gerhard Fulda (Botschafter a.D.)

Das Ende der Staatsräson – ein Paradigmenwechsel

Moderation: Claus Walischewski (ICAHD Deutschland)

 

Abschlusspanel

Wie könnte eine andere, verantwortungsvollere deutsche Israelpolitik aussehen?

Alle Referenten

Moderation: Marius Stark (Pax Cristi)

Rüdeger Baron (AK Palästina im NEFF)

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Anmeldung zur Konferenz am Samstag, 1. Februar 2020, 9.30 – 18.00 Uhr   

bitte mit Name, Ort und ggf. Organisation an Marius Stark mariusstark(Ersetze diesen Einschub durch das Email-Zeichen.)gmx.de

Die Tagungspauschale von 35,- € (Schüler/Studenten/Harz IV Bezieher zahlen 20,- €) schließt Verpflegung und Getränke mit ein.

Sie ist vor Beginn der Veranstaltung zu überweisen an:

KoPI-Konto bei IPPNW

bei der Bank für Sozialwirtschaft

IBAN DE39 1002 0500 0002 2222 10

Buchungsvermerk: KoPI-Konferenz 2020