Nakba Das Wort bezeichnet die Vertreibung von ca. 750.000 Palästinenserinnen und Palästinensern im Zusammenhang mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Daran erinnert der jährliche Nakba-Tag am 15. Mai.
Damals wurden 351 palästinensische Dörfer zerstört. Aus vielen weiteren wie auch aus Städten mit großem palästinensischem Bevölkerungsanteil wurden die ursprünglichen Bewohner:innen vertrieben, die Häuser wurden von neu zugewanderten Zionisten übernommen.
Wenn man heute auf den Gazastreifen schaut, drängen sich unweigerlich Parallelen auf, und es wird deutlich: Nakba (wörtlich: „Katastrophe“) ist kein singuläres historisches Ereignis – sie dauert bis heute an. Und sie reicht auch weiter zurück: Ausgrenzung, Unterdrückung und Entrechtung der Palästinenser:innen waren seit Beginn der zionistischen Einwanderung im späten 19. Jahrhundert Teil ihrer Geschichte. Die völlig unverhältnismäßige und menschenverachtende militärische Reaktion des Staates Israel auf den abscheulichen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 zeigt eine erschreckende Kontinuität. Israel rechtfertigt sich heute mit seinem „Recht auf Selbstverteidigung“. Aber mehr als 50.000 Tote – die meisten Frauen und Kinder –, über 120.000 Verletzte, die Zerstörung der medizinischen Infrastruktur sowie die rigorose Blockade jeder humanitären Hilfslieferung lassen sich nicht mit Selbstverteidigung begründen: Es geht in Wirklichkeit um nichts anderes als um ethnische Säuberung; der Gazastreifen soll palästinenserfrei werden.
Unterstützung erhält das Vorhaben durch Gedankenspiele der Trump-Administration, die ausdrücklich eine abermalige Vertreibung der Palästinenser:innen vorsehen, mit zynischem Euphemismus als „Umsiedlung“ deklariert. Das ist ganz im Sinne der ultrakonservativen Politiker in der Knesset. Ariel Kallner, Abgeordneter der Likud-Partei, sagt es ganz offen: „Im Moment gibt es nur ein Ziel: Nakba! Eine Nakba, die die Nakba von 1948 in den Schatten stellen wird.“
Und die Pläne der israelischen Regierung zur Vertreibung der Palästinenser:innen beschränken sich keineswegs auf den Gazastreifen: Im Schatten des aktuellen Krieges dort vollzieht sich auch eine schleichende Annexion der Westbank, wo ebenfalls bereits die Bewohner:innen mehrerer Ortschaften vertrieben worden sind.
Was jedoch im Gazastreifen geschieht, geht weit über eine Vertreibung hinaus: In letzter Konsequenz bedeutet es einen Genozid, wie inzwischen viele Fachleute – so der israelische Historiker Omer Bartov – und Organisationen wie Amnesty International feststellen.
Die Bundesregierung darf solche eklatanten Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte nicht hinnehmen. Allerdings genügt es auch nicht, mahnend darauf hinzuweisen und lediglich zur Einstellung dieser Verletzungen aufzufordern. Vielmehr müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet sind, zur Beendigung der menschenverachtenden Zustände beizutragen.
Solche Maßnahmen sollten insbesondere sein:
- Die nachdrückliche Forderung, dass Israel zur Waffenruhevereinbarung vom Januar dieses Jahres zurückkehrt und unverzüglich die totale Blockade humanitärer Lieferungen beendet, die es am 2. März begonnen hat;
- Sofortige Einstellung des Waffenexports nach Israel gemäß dem von Deutschland unterzeichneten Internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms-TradeTreaty / ATT) vom 2. April 2013 und der Resolution ES-10/24 der UN-Generalversammlung vom 18. September 2024 sowie Einstellung jeder militärischen Zusammenarbeit;
- Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel und der damit verbundenen Handelsvorteile;
- Aussetzung des Zugangs Israels zu EU-Förderprogrammen (v.a. Horizont Europa).
Unverzügliche Beendigung der illegalen Besatzung, des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus und der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems, gemäß dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 19. Juli 2024 und der bereits genannten Resolution ES-10/24 der UN-Generalversammlung, die darauf basiert. - Einfuhrstopp für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten, ebenfalls gemäß der genannten Resolution.
- Vorbehaltlose Anerkennung des Rechts der Palästinenser:innen auf kollektive Selbstbestimmung und konsequentes Eintreten für dessen Verwirklichung.
Für Deutschland sollte es auch selbstverständlich sein, Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag zu respektieren und bei ihrer Umsetzung mitzuwirken. Völlig untragbar ist es deshalb, Benjamin Netanjahu, gegen den der IStGH einen Haftbefehl erlassen hat, nach Deutschland einzuladen und ihm eine freie Wiederausreise zuzusichern.
Im Dritten Reich hat Deutschland sich gegenüber den Juden schuldig gemacht; deswegen sind wir ihnen in besonderer Weise verpflichtet. Aber verpflichtet sind wir vor allem der Einhaltung der Menschenrechte, die für alle Völker gelten: Wir müssen uns der besonderen Verantwortung bewusst sein, jedem Ansatz von Rassismus und erst recht von Völkermord überall auf der Welt früh und nachdrücklich entgegenzutreten.
Deshalb betonen wir:„Nie wieder“ kann nur heißen:
„Nie wieder Verletzung von Menschenrechten –
von wem und an wem auch immer.“
von wem und an wem auch immer.“
Die deutsche Politik muss begreifen:
Es ist völlig paradox, in dem Bemühen, historische Schuld wiedergutzumachen, neue Schuld auf sich zu laden – diesmal gegenüber den Palästinenser:innen.
Das dürfen wir nicht hinnehmen.